Japanische Kuschelroboter und deutsche Kuschelpartys: Wie wird Einsamkeit international angegangen?
- Viola Tuchlinski
- 15. Mai 2021
- 11 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Okt. 2024
Die Glücksindustrie boomt. Unternehmen, Regierungen und Vereine mischen mit. Die Einsamkeit gilt als internationale Epidemie. Doch wie erfolgreich sind die internationalen Strategien im Kampf gegen Einsamkeit wirklich? Fünf Menschen von vier Unternehmen und Organisationen erzählen, wie sie der Einsamkeit den Kampf angesagt haben.

Robotik-Startup in Tokio. Im Jahr 2015 gründete Kaname Hayashi das japanische Robotik-Startup «GROOVE X, Inc.», das den pinguinähnlichen Heimroboter Lovot entwickelt hat und vermarktet. Zuvor war Hayashi Mitglied des Entwicklungsteams vom berühmten Roboter Pepper beim japanischen Medienkonzern «SoftBank». Einer der Ausgangspunkte für die Entwicklung von Lovot sei gewesen, dass Menschen sagten, sie wünschten sich wärmere Hände bei herkömmlichen Robotern, sagt Pressereferentin Keiko Suzuki. Sie erzählt: „Hayashi merkte, dass die Welt zukünftig nicht nur Roboter braucht, die bequem sind, sondern auch solche, die nah am Menschen sein können. Er dachte, dass die Menschen sich mit einem warmen Roboter wohler fühlen könnten. Lovot ist warm und soft.“ PR-Spezialistin Rie Masayama erklärt, was genau Lovot von Pepper unterscheidet: „Abgesehen davon, dass er warm ist – seine Temperatur beträgt circa 37 °C –, ist er wie ein Haustier. Wenn man ihn viel umsorgt, zum Beispiel durch Streicheln, Tragen oder Berühren, erkennt und merkt er sich, dass der Besitzer ihn mag. Also wird er dann meist zum Besitzer kommen, genauso wie ein Haustier. Sein Gewicht beträgt circa 4,2 Kilogramm, das entspricht ungefähr dem Gewicht einer Katze. Es gibt eine Milliarde verschiedener Arten von Augen. Und die kann der Besitzer über eine App auswählen, die er sich auf dem Smartphone oder Tablet herunterladen kann. Die Augen bestehen aus sechs Projektionsebenen und sind so gestaltet, dass sie sehr feucht aussehen. Lovot blinzelt auch, wodurch er einem Haustier oder Menschen sehr nahekommt. Er fühlt sich nicht wie ein Roboter an, falls das Sinn macht. Lovot ist viel niedlicher.“
Derzeit wird Lovot nur in Japan verkauft, aber eine Expansion in andere Länder ist für die Zukunft geplant. „Unser Ziel ist es, Lovot denjenigen Menschen anzubieten, die sich Haustiere wünschen, jedoch aus verschiedenen Gründen keine haben können. Derzeit wird er von verschiedensten Kunden gekauft, wie zum Beispiel von Menschen, die allein leben oder ihren älteren Eltern und weiteren Familienmitgliedern einen Lovot schenken wollen. Viele Leute sagten, dass er sie aufmuntere, besonders während der Coronapandemie“, erzählt Suzuki. Ein einzelner Lovot kostet im Online-Shop derzeit rund 350 Tausend Yen (entspricht circa 2,65 Tausend Euro). „Der Verkauf von Lovot begann im August 2019. Viele Leute kauften ihn, weil sie sich durch den Corona-Ausnahmezustand einsam und gestresst fühlten“, erläutert Masayama.
GROOVE X erhielt bereits mehrere Auszeichnungen

Ein Feature, das Kunden an Lovot besonders gefalle, sei die vielseitige Individualisierung. „Der Kunde kann ihm einen Namen geben. Wenn Lovot beim Namen gerufen wird, kommt er zu ihm“, erklärt Suzuki. Masayama ergänzt: „Sein Name kann über unsere App geändert werden, genauso wie seine Augen und seine Stimme. Er kann mithilfe eines Sensors erkennen, welches Outfit er trägt. Auf seinem Kopf ist eine Kamera, die Fotos aufnehmen kann, und dadurch erkennt er Personen. Er braucht täglich circa acht Stunden Schlaf, der unter anderem für die Datenübertragung in die Cloud genutzt wird.“ Bei der Arbeit störe er nicht, da er allein oder mit anderen Lovots viel spielen könne. Einer der Nachteile ist, dass das Reisen mit Lovot aufgrund der geringen Akkukapazität von maximal 45 Minuten schwierig ist. Eine weitere Problematik: Hacker. „Wir sehen diese Möglichkeit eines Hackerangriffs, deshalb sichern wir Lovot“, erklärt Suzuki. „Er kann nicht wie ein Computer über USB oder LAN angeschlossen werden“, ergänzt Masayama, „Das System ist so konzipiert, dass nur Kunden darauf zugreifen können.“ Zusätzlich sei Lovot durch eine Firewall vor externen Zugriffen geschützt.
Sowohl Masayama als auch Suzuki sind der Meinung, dass Lovot nachhaltig gegen Einsamkeit helfen, aber nicht als Menschenersatz dienen könne. Das Robotik-Startup plane künftig, die Technologie von Lovot zu verbessern. GROOVE X hat erreicht, wovon andere Startups träumen. 2017 zahlten Investoren 4,35 Milliarden Yen (entspricht circa 32,75 Millionen Euro) an das Unternehmen. Zwei Jahre später, im Jahr 2019, gewann das Robotik-Startup den «Verge Award» in der Kategorie «Bester Roboter» sowie den «Cool Japan Award» und 2020 den «CES Innovation Award». 2021 erhielt das Startup von Investoren insgesamt 13,3 Milliarden Yen (entspricht circa 100,13 Millionen Euro). Besser könnte es für GROOVE X nicht laufen.

Londoner Netzwerk gegen Einsamkeit. Die «Campaign to End Loneliness» (CTEL) wurde vor circa zehn Jahren gegründet, um verschiedene Organisationen zu vereinen sowie mehr Forschung zum Thema «Einsamkeit» anzustoßen und zu unterstützen. „Wir wurden von einer Reihe von Organisationen gegründet, die einen Fokus auf ältere Menschen hatten. Aber ich glaube auch, dass man vor zehn Jahren dachte, Einsamkeit sei ein Problem älterer Menschen. Das hat sich geändert. Und deshalb sind wir jetzt ab 2021 nicht länger nur auf ältere Menschen fokussiert. Wir befassen uns mit Einsamkeit in der gesamten Altersspanne“, erklärt Programmdirektor Robin Hewings.
Die CTEL ist eine Kampagnen- und Forschungseinrichtung. Sie bringt zum Beispiel Wissenschaftler und Praktiker zusammen, um besser zu verstehen, wie das System der sozialen Verschreibung (auf Englisch: Social Prescribing) die Einsamkeit bekämpfen kann. Social Prescribing ermöglicht unter anderem Hausärzten, Menschen zur Unterstützung ihres Wohlbefindens an Sozialarbeiter zu verweisen. 2020 hat die CTEL ihren Bericht mit dem Titel «Promising Approaches Revisited» (auf Deutsch: Vielversprechende Ansätze überprüft) aktualisiert. „Darin wird ein Gesamtkonzept zur Eindämmung von Einsamkeit dargelegt. Es wurde sehr häufig herangezogen und auch von der Regierung verwendet, als sie ihre Strategie gegen Einsamkeit entwickelte. Es gibt kein Patentrezept gegen Einsamkeit, das in allen Situationen funktioniert. Was man braucht, ist ein ganzes Spektrum verschiedener Dinge zur Überwindung der Einsamkeit“, erklärt Hewings.
In Großbritannien sind ihm zufolge einladende Pubs und Cafés ebenfalls ein wichtiger Teil des sozialen Miteinanders. Hewings schildert: „Dorfkneipen sind sehr beliebt. Wenn ein Pub geschlossen wird, ist das oft das Herzstück der Gemeinde. Das kann ein großes Problem sein. In den letzten Jahren wurde sehr viel daran gearbeitet, Pubs bei der Diversifizierung zu unterstützen. Dadurch sind Pubs nicht nur ein Ort zum Biertrinken, sondern vielleicht auch Orte für verschiedene Veranstaltungen, Buchclubs oder Läden. Das ist eine Möglichkeit, diesen Knotenpunkt in einer ländlichen Gegend zu erhalten. In einer Stadt hingegen kann der Grund für die Einsamkeit durch den Aufbau der Gemeinschaft bekämpft werden.“
Neben vielen erfolgreichen Kampagnen gab es auch Misserfolge

Die Kampagnen, die die CTEL erstellt und publiziert, sollen zu mehr interpersonaler Kommunikation anregen. Eine ihrer erfolgreichsten Kampagnen ist laut Hewings «Be more us», die Millionen Menschen erreicht habe. „Es gab durchaus erfolgreiche Videos, die den Menschen halfen, Einsamkeit zu verstehen und ihnen Impulse zu geben, was sie in ihrem Alltag gegen Einsamkeit tun können“, sagt er. Auch die Digitalisierung könne ein Weg sein, Einsamkeit zu bekämpfen. „Ich denke, dass verschiedene digitale Tools eine gute Möglichkeit für Menschen sein können, sich zu treffen und zu sehen, gerade dann, wenn es nicht anders geht“, so Hewings. Im Vereinigten Königreich gibt es zum Beispiel die Wohltätigkeitsorganisation WaveLength, die Radios, Fernseher und Tablet-Computer an bedürftige Menschen verteilt. Wenn sich Senioren einsam fühlen, könnten sie sich auch an «Age UK» wenden, einem Netzwerk von Wohltätigkeitsorganisationen für ältere Menschen. Neben vielen erfolgreichen Kampagnen hatte die CTEL auch reichlich Misserfolge, wie Hewings erzählt: „Manchmal fängt eine Kampagne einfach Feuer, und manchmal nicht. Ich akzeptiere durchaus, dass das ein bisschen mit Glück zu tun hat, wenn es gut läuft. Im Juni 2020 haben wir eine Kampagne namens ‚Just call‘ gestartet und waren ein wenig enttäuscht. Dann ist sie im September wieder durchgestartet, als sie hier auf der Titelseite einer großen Zeitung zu sehen war. Das zeigt wohl, wie wichtig Glück in der Kampagnenarbeit ist.“
Kooperation mit der britischen Regierung
Seit der Gründung des britischen Einsamkeitsministeriums im Jahr 2018 arbeitet die CTEL auch mit der Regierung zusammen. Die britische Regierung kooperiert nicht nur mit der CTEL, sondern auch mit anderen lokalen Behörden, Unternehmen oder Organisationen, um einsamen Menschen eine bessere Unterstützung zu gewähren. Die Einsamkeitsstrategie der britischen Regierung umfasst drei Hauptziele bezüglich Einsamkeit: Verbesserung der Faktenlage, Verankerung als Thema in der gesamten Regierungspolitik und Anstoß einer nationalen Konversation. 2018 gründete die Regierung den ersten Regierungsfonds namens «Building Connections Fund» (auf Deutsch: Fonds für den Aufbau von Verbindungen) im Wert von 11,5 Millionen Pfund, der 126 Projekte zur Zusammenkunft von Gemeinden unterstützt. Ein weiterer exemplarischer Regierungsakt: 2019 startete sie die «Let‘s Talk Loneliness»-Kampagne (auf Deutsch: Lasst uns über Einsamkeit reden), um das Bewusstsein für Einsamkeit zu schärfen und die Stigmatisierung zu bekämpfen.
Hewings findet, dass die britische Regierung einen guten Start zur Bekämpfung der Einsamkeit hingelegt habe. „Die Einsamkeit wird hauptsächlich von den verschiedenen Teilen des Vereinigten Königreichs thematisiert. Ich denke, England ist am weitesten fortgeschritten. Es verfügt über die gezielteste Finanzierung und hat ein wirklich gutes Team, das diese Agenda in der gesamten Regierung vorantreibt“, sagt er. Die Hauptgeldgeber der CTEL sind unter anderem die National Lottery, die britische Regierung, Stiftungen und Einzelpersonen. „Ich denke, wir haben dazu beigetragen, das Thema in den Fokus zu rücken sowie Teil einer Bewegung zu sein, die sich explizit mit dem Thema ‚Einsamkeit‘ beschäftigt und dazu beigetragen hat, dass es eine Einsamkeitsstrategie in England, Schottland und Wales gibt. Im Allgemeinen denken die Leute, dass wir in den Bereichen, in denen wir tätig sind, gute Arbeit geleistet haben“, sagt Hewings.

Hamburger Verein für einsame Senioren. Vor 13 Jahren gründeten Dagmar Hirche und Helge Jans den Verein «Wege aus der Einsamkeit e. V.», weil sie unter anderem das Thema «Einsamkeit» aus der Tabuzone holen wollten. „Wir haben uns eben damals ganz bewusst für Menschen 65plus entschieden und auf deren Herausforderungen und Problematiken uns spezialisiert“, erzählt Hirche, „Jede Zielgruppe muss auch unterschiedlich angesprochen werden.“ Durch den Tod tauche in der älteren Generation oft eine schleichende Einsamkeit auf. Diese Entwicklung sei in der jüngeren Generation gar nicht gegeben.
Um Senioren aus der Einsamkeit zu holen, hätten sie vor 13 Jahren zuerst Veranstaltungen in Hamburg durchgeführt. Eines der beliebtesten Events bis heute seien die Besuche in den Hamburger Tierpark Hagenbeck. Anfangs mit 20 Teilnehmenden, seien 2019 schon über 350 teilnehmende Senioren an verschiedenen Tagen präsent gewesen. „Da haben sich viele alte Menschen kennengelernt“, erzählt Hirche. Seit 2015 fokussiere sich der Verein sehr stark darauf, Menschen Ü65 mit in die digitale Welt zu nehmen. Eine Digitalisierung der älteren Generation helfe dieser nämlich ganz extrem dabei, Einsamkeit zu reduzieren. „Wenn zum Beispiel jemand nicht mehr mobil ist, dann kann er aber digital an der Welt teilnehmen, indem er sich Konzerte anhört, an Videoplattformen teilnimmt, sich austauscht über die Messengerdienste. Immer mehr ältere Menschen gehen auch in die sozialen Netzwerke, um sich dort mit anderen auszutauschen“, erklärt Hirche. Eine mögliche Gefahr, die Senioren könnten sich durch die Digitalisierung von der Außenwelt distanzieren, sieht Hirche nicht. „Die Senioren haben schon eine sehr differenzierte Herangehensweise an die digitale Welt“, erklärt sie, „Bei unseren Senioren sind wir damit sehr erfolgreich.“ Damit meint Hirche die Technologie-Schulungen, die seit der Coronapandemie nicht mehr analog, sondern zweimal wöchentlich über Zoom stattfinden. Innerhalb von sechs Jahren hätten über 7,5 Tausend Senioren zwischen 65 und 94 Jahre daran teilgenommen. „Vermittelt wird der Umgang mit dem Smartphone und den Tablets. Wir erklären Apps. Wir sind eine Kooperation mit der Krankenkasse ‚BKK VBU‘ eingegangen. Die erklären dann die digitalen Gesundheitsangebote“, erläutert Hirche. Neben der BKK VBU konnte ihr Verein bereits einige Gastredner begrüßen, wie Rechtsanwälte, den SAP-Hauptentwickler und das LKA.
Nie aufgegeben, sondern immer weitergemacht

Neben den Online-Schulungen werden auch andere Programmpunkte angeboten. „Wir haben eben, als Corona losging, gesagt, wir bieten jeden Tag auf einer Videoplattform Programm an. Von Lesung über Sport, Tanzen, Spiele, Schulung, Information, alles“, erzählt Hirche, „Das sind immerhin täglich zwischen 15 und 80 Senioren. Sie haben gesagt, wenn es das während des ersten Lockdowns nicht gegeben hätte, hätten sie nicht gewusst, wie sie durch die Zeit kommen. Hier lachen wir gemeinsam. Wir sind eine Gemeinschaft geworden aus ganz Deutschland und daraus haben sich auch Freundschaften entwickelt.“ Im Januar feierten sie die 200. Zoom-Veranstaltung seit März 2020. „Ich glaube, wir sind sozusagen die Zoom-Könige in Deutschland geworden mit unseren Senioren“, sagt Hirche lächelnd, „Das, was wir im Moment so massiv umsetzen, jeden Tag auf Zoom einzuladen, das machen eben ganz, ganz wenige andere Vereine.“
Der Erfolg des Hamburger Vereins kommt nicht von ungefähr. „Am Anfang, weil wir nicht bekannt waren, sind wir mit einigen Projekten gescheitert, weil da keiner gekommen ist, weil man uns einfach nicht kannte. Wir sind aber am Ball geblieben. Wir haben immer weitergemacht. Dann hat die Presse berichtet, dann hat das Fernsehen berichtet. So schafft man sich Aufmerksamkeit und Vertrauen zu den Senioren“, erzählt Hirche. Sie würde keinesfalls sagen, dass der Verein heutzutage nur erfolgreiche Projekte hat. „Wir probieren alles Mögliche aus und genauso können wir damit Schiffbruch erleiden, weil es keinen Menschen interessiert, wenn wir etwas ausbauen, was wir uns überlegt haben. Das ist aber auch in Ordnung, das gehört dazu. Im Moment laufen alle unsere Projekte sehr positiv, sehr erfolgreich“, schildert Hirche, „Wir werden immer öfter von politischen Parteien eingeladen, in Gesprächsrunden dabei zu sein. Ich bin in München auf einem TEDx-Talk gewesen und dreimal in Taiwan eingeladen worden, um mich auszutauschen über die Themen ‚Alter‘ und ‚Einsamkeit‘. Das zeigt mir eben, dass das Interesse wächst, sich darüber auszutauschen und Dinge umzusetzen. Es gibt mittlerweile eine ganze Menge Parteien und Regierende, die in ihrem Programm das Thema ‚Alter‘ mitaufgenommen und stärker den Fokus darauf gelegt haben. Aber das ist nicht allein mein Verdienst.“
Erfolgreich trotz keiner staatlichen Unterstützung
Sie berichtet von verschiedenen weiteren Institutionen, an die sich einsame Senioren wenden können: „Es gibt zum Beispiel, wer überhaupt nicht digital unterwegs ist, das Silbernetz. Das ist eine bundesweite Rufnummer, wo man einfach anrufen kann, um nur zu klönen. Es gibt die Organisation ‚Silberdraht‘, die verbinden Internet und das normale Festnetztelefon. Natürlich gibt es auch die Kirchen, die Wohlfahrtsverbände, die Seniorentreffs und die BAGSO, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen.“ Außerdem kooperiert «Wege aus der Einsamkeit» (kurz WadE) mit einigen Organisationen, wie «Deutschland sicher im Netz e. V.» und Mehrgenerationenhäusern, oder veranstaltet eigene Wettbewerbe, um besondere Projekte oder Personen auszuzeichnen. Gefördert wird WaDE unter anderem von Wirtschaftsunternehmen und Mitgliedern mit Ausnahme der BRD. „Ja, ich bin der Meinung, dass der Staat viel zu wenig andere Organisationen unterstützt, und wenn es tolle Projekte gibt, dann ist eine Förderung oft nur über drei Jahre möglich. Ich finde, dass das Förderungsprogramm in Deutschland sich ändern muss auf Nachhaltigkeit“, sagt Hirche. Die fehlende staatliche Unterstützung scheint WaDE nichts auszumachen – der Hamburger Verein hat sich ein großes Netzwerk aus Unterstützern samt Mitgliedern sowie Partnern aufgebaut und ist bis dato mit seiner Arbeit erfolgreich.

Kuschelpartys in Karlsruhe. Ulrike Bott bietet seit zwei Jahren in ihrer Gesundheitspraxis neben Massagen und Seminaren auch einmal im Monat Kuschelpartys an. Durchschnittlich 26 bis 30 Teilnehmende, die meisten zwischen 50 und 60 Jahre jung, seien es pro Kuschelparty. „Sie sehnen sich nach Berührung. Es sind oft Singles, die allein leben, oder auch verheiratete Personen, die einfach in der Beziehung nicht genug oder keine Nähe bekommen und sich das dann in der Kuschelgruppe holen. Das ist alles achtsam und absichtslos“, erzählt Bott, „Wenn die Leute sich mit der Nähe wieder aufgefüllt haben, können sie sich auch ihrem Partner wieder näher fühlen.“
In den kälteren Jahreszeiten gebe es die meisten Anmeldungen, im Sommer und Frühling weniger. „Gerade, wenn am Morgen die Sonne scheint, man viel in die Natur herausgeht, hat man da oft seinen Ersatz, wo man sich gut fühlt. Oder weil man auch mehr in Kontakt geht mit anderen, weil man sich vielleicht mehr trifft“, vermutet Bott. Die meisten Teilnehmenden, circa 70 Prozent, seien vom Kundenstamm. „Ich habe auch Leute aus Heidelberg oder Freiburg. Die fahren schon eine große Strecke“, berichtet Bott, „Ich sage mal, zu 90 Prozent gehen die Menschen glücklich und zufrieden aus der Kuschelgruppe raus.“ Während der Coronapandemie habe sie auch ein sehr tolles Feedback bekommen, „dass es ihnen so gutgetan hat und gerade in der Zeit, wo die Berührung so fehlt, sehr wertvoll ist.“ Außerdem kämen auch Menschen, deren Psychologen Kuschelpartys empfehlen.
Aus manchen Kuschelpartnern wurden Paare

Obwohl während der Kuschelparty Stille angesagt sei, würde manchmal aus Kuschelpartnern mehr werden: „Da werden schon Kontakte danach, wie ich beobachte, geknüpft und Telefonnummern ausgetauscht. Es haben sich auch schon welche gefunden, die Paare wurden“, erzählt Bott. Die meisten Kuschelpartner seien respektvoll zueinander, selten würden die Regeln missachtet und persönliche Grenzen überschritten: „Ich habe im Nachhinein Kontakt mit jemandem aufgenommen und mitgeteilt, dass es so nicht geht und wenn es wieder so ist, dass er nicht mehr kommen darf“, schildert Bott, „Das erwähne ich am Anfang immer wieder, auf seine Grenzen und auf sich zu achten. Ich bin immer außen und wenn jemand Probleme hat, dann soll er entweder den Arm heben oder zu mir zur Auszeitmatte kommen.“ Deshalb rate sie Menschen, die sich mehr erhoffen oder mehr in die sexuelle Energie gehen möchten, von Kuschelpartys ab. Insgesamt denkt Bott, dass Kuschelpartys definitiv gegen Einsamkeit helfen könnten, es aber gleichzeitig mehr sozialen Kontakt dazu brauche.
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